11. November 2022: FAQ: Bürgergeld

Das neue Bürgergeld soll zum 01. Januar 2023 eingeführt werden. Nach dem Beschluss im Bundestag in der 2./3. Lesung am 10. November 2022 soll es Mitte November als zustimmungspflichtiges Gesetz im Bundesrat behandelt werden.
Einige der neuen Regelungen sollen direkt zum 01. Januar 2023 in Kraft treten, wie beispielsweise der neue (höhere) Regelsatz, die Karenzzeit für Wohnraum und die Entfristung des sozialen Arbeitsmarktes. Im parlamentarischen Verfahren wurde der Zeitplan zur Umsetzung der weiteren Gesetzesteile überarbeitet und eng mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) abgestimmt. Zur Verwaltungsvereinfachung werden einheitlich zum 01. Juli 2022 etwa der Kooperationsplan, das Weiterbildungsgeld und die Schlichtungsstelle umgesetzt. Die BA hat diesen Zeitplan in der öffentlichen Anhörung ausdrücklich begrüßt. Die Sorgen der Jobcenter-Mitarbeiter:innen haben wir also berücksichtigt.
Nein. Die Reform bedeutet einen echten Kulturwandel im Umgang mit den Menschen im Leistungsbezug. Wir setzen auf den Abbau von Bürokratie, eine Kultur der Augenhöhe und des Respekts und mehr nachhaltige (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt. Wir wollen die Hürden beim Zugang zum Bürgergeld senken, mehr individuelle und passgenaue Betreuung und Unterstützung durch die Jobcenter, mehr nachhaltige Vermittlung in gute Jobs und mehr Chancen für eine Aus- und Weiterbildung.
Wir schaffen damit endlich einen wichtigen Baustein für einen Sozialstaat, der die Bürger:innen in guten wie auch in schlechten Zeiten real absichert und ein Leben in Würde garantiert.
Nein. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird ohne Vorbedingungen an alle Bürger:innen ausgezahlt. Das Bürgergeld wird hingegen weiterhin nur nach einer Antragstellung an diejenigen ausgezahlt, die Unterstützung brauchen und Anspruch auf das Bürgergeld haben. Und es wird auch weiterhin Mitwirkungspflichten geben.
In den ersten zwei Jahren nach Beantragung des Bürgergeldes werden die selbstgenutzte Wohnung und zusätzlich Rücklagen unterhalb von 60.000 Euro (bei einer alleinstehenden Person, bei mehr Familienmitgliedern steigt der Betrag) nicht mehr angerechnet. Die Regelung für selbstgenutzten Wohnraum bezieht sich sowohl auf Miet- als auch auf Eigentumswohnungen. Damit verstetigen wir den vereinfachten Leistungszugang aus der Corona-Zeit. Die Ausweitung der Regelungen der Corona- Zeit kommen nicht nur den Leistungsempfänger:innen zugute, sondern tragen auch zur Entbürokratisierung der Jobcenter bei. So müssen Überprüfungen des Vermögens und der Unterkunft, welche einige Ressourcen binden, binnen der ersten zwei Jahre nicht durchgeführt werden - der Zeitraum, in welchem die meisten Leistungsempfänger:innen auch den Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden.
Diese Neuregelung hat mehrere Gründe: Erstens wollen wir, dass sich die Menschen auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt konzentrieren können und nicht zuerst eine neue Wohnung suchen müssen und aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden. Zweitens empfinden gerade Menschen, die viele Jahre gearbeitet haben, es als sehr ungerecht, dass ihnen dann im Übergang vom ALG I zum ALG II ihre hart erarbeiteten Ersparnisse zu großen Teilen angerechnet wurden. Wir wollen, dass private Rücklagen und vor allem auch die Alterssicherung erhalten bleiben. Drittens bauen wir mit der Neuregelung Hürden ab, die Menschen davon abgehalten haben, Leistungen zu beantragen. Wer Hilfe braucht, sollte sie schließlich auch bekommen.
In diesen zwei Jahren bleiben auch Rücklagen bis zu 60.000 Euro unangetastet. Dabei ist diese Grenze nicht willkürlich gewählt, sondern orientiert sich an der Rechtsprechung angelehnt an das Wohngeld (bspw. Urteil vom 18.12.2020, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 7 AS 5/21 B ER, S. 3). Nach der zweijährigen Karenzzeit gilt zukünftig ein sogenanntes Schonvermögen von 15.000 Euro im SGB II, das Leistungsbezieher:innen behalten dürfen. Auch ein angemessener PKW darf dann behalten werden, ohne dass er in das Schonvermögen eingerechnet wird. Ebenso Hausrat im angemessenen Umfang oder selbstgenutztes Wohneigentum in angemessener Größe.
Neue Regelungen für die Altersvorsorge ermöglichen es zukünftig, dass diese unangetastet bleibt und gerade Selbstständige und Frauen, die nachweißlich am stärksten von Altersarmut betroffen sind, mehr ersparte Rücklagen für ihr Alter behalten können.
Nein. Auch von Menschen, die Bürgergeld beziehen, erwarten wir, dass sie mitarbeiten, um wieder in Arbeit vermittelt zu werden. Wer die Zusammenarbeit komplett verweigert und gar nicht mitmacht, dem können weiterhin Leistungen gekürzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil im November 2019 dazu klare Vorgaben gemacht, zum Beispiel dass die Kosten der Miete und Heizung nicht mehr gekürzt werden dürfen. Das setzen wir mit dem neuen Gesetz um. Auch sollen junge Menschen nicht mehr härter sanktioniert werden dürfen, sondern im Fall einer Leistungsminderung ein besonderes Beratungsangebot erhalten.
Das Sanktionsmoratorium, das wir vor der Sommerpause beschlossen haben, markiert den Übergang zwischen der alten Regelung zur Neuregelung im Bürgergeld und gilt bis zum Sommer nächsten Jahres.
Die Höhe der Leistungskürzungen darf in Zukunft maximal 30 Prozent des Regelsatzes betragen. Kürzungen werden gestaffelt – also nicht direkt in voller Höhe verhängt. Kommt es wieder zur Kooperation, wird die Leistungskürzung wieder aufgehoben. Bei wiederholten Meldeversäumnissen in der Vertrauens- oder Kooperationszeit können 10 Prozent der Leistungen gekürzt werden. Bei Pflichtverletzungen nach beendeter Vertrauens- oder Kooperationszeit können zunächst 20 Prozent und im wiederholten Fall 30 Prozent der Leistungen für drei Monate gekürzt werden.
Leistungskürzungen sollen wirklich nur noch als letztes Mittel genutzt werden. Auch im Hartz-IV-System waren lediglich drei (!) Prozent der Leistungsbezieher:innen von Sanktionen betroffen – die absolute Mehrheit hält sich also an die Regeln und macht mit. Trotzdem steht bisher unter fast jedem Brief vom Jobcenter die Androhung einer Sanktion. Das schürt Ängste und stört eine respektvolle Kommunikation. Daher haben wir im parlamentarischen Verfahren sichergestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Bürgergeldbezieher:innen ohne Drohung der Sanktion, sondern mit Vertrauen beginnen soll. Wenn die Zusammenarbeit klappt, sollte man gar nicht mit der Drohung der Leistungskürzung in Berührung kommen. Gibt es Probleme, wollen wir eine zweite Chance zur Nachbesserung geben, bevor es zu Kürzungen kommt.
Außerdem haben wir aufsuchende und beratende Angebote im Gesetz gestärkt. Sie sollen bei Bedarf einer Leistungskürzung vorgeschaltet werden können, da häufig psychische Erkrankungen, andere Probleme oder Herausforderungen im Alltag (z.B. Pflege von Angehörigen, Trennung von:m Partner:in, Tod einer:s nahen Angehörigen) hinter plötzlichen Kontaktabbrüchen stehen. In diesen Fällen sind nicht Leistungskürzungen angebracht, sondern diese Menschen brauchen Unterstützung.
Ein Schlichtungsmechanismus, der sowohl von Leistungsbezieher:innen als auch Jobcentermitarbeitenden angerufen werden kann, soll bei Konflikten gemeinsame Lösungen erarbeiten. Die Schlichter:innen sind dabei unabhängig und nicht weisungsgebunden.
In einer Vertrauenszeit von einem halben Jahr soll möglichst ohne die Androhung einer Leistungskürzung gearbeitet wird. Bei Pflichtverletzungen wird der Regelsatz in dieser Zeit nicht gekürzt. Bei wiederholten Terminversäumnissen (ab dem zweiten Meldeversäumnis) ist nach aktuellem Stand eine Leistungskürzung von 10 Prozent angesetzt, diese gilt für einen Monat.
Die Vertrauenszeit soll nach der gemeinsamen Erarbeitung des Kooperationsplans beginnen. Diese dient dazu, das Vertrauen zwischen Jobcenter und Leistungsbeziehenden weiter aufzubauen und die Kooperation zu stärken. Gemeinsam soll intensiv an der Umsetzung der Vereinbarungen, die im Kooperationsplan festgehalten wurden, gearbeitet werden.
Wenn in den sechs Monaten die Zusammenarbeit klappt und die Mitwirkung gut läuft, setzt danach die sogenannte Kooperationszeit ein. In dieser wird weiterhin ohne Drohung der Leistungskürzung zusammengearbeitet.
Erst wenn die Mitwirkung ohne gute Gründe aussetzt, können die Leistungen gekürzt werden. Hier soll jedoch zukünftig noch stärker nach den Gründen für die fehlende Mitwirkung geschaut und den Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, persönlich vorzusprechen und die Situation aufzuklären.
In Zukunft wollen wir für die Menschen im Leistungsbezug positive Anreize schaffen, sich zu qualifizieren und so bessere Chancen auf eine neue Anstellung zu haben. Denn positive Anreize wirken sehr viel motivierender als Drohungen.
Wichtigstes Instrument ist ein Weiterbildungsbonus, das sogenannte Weiterbildungsgeld, in Höhe von monatlich 150 Euro für berufliche Weiterbildungen oder eine Berufsausbildung. Zusätzlich können weiterhin bei bestandenen Zwischen- und Abschlussprüfungen Prämien ausgezahlt werden, diese Weiterbildungsprämien werden mit dem Bürgergeldgesetz entfristet.
Der neue Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro monatlich kann bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zusätzliche Anreize setzen.
Schüler:innen, die mit ihren Eltern im Leistungsbezug in einer Bedarfsgemeinschaft leben, dürfen zukünftig von ihren Ferienjobs mehr Geld behalten und monatlich bis zu 520 Euro durch einen Minijob dazuverdienen. Ebenso können Auszubildende mehr von ihrer Vergütung behalten, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Um das zu veranschaulichen: wer aktuell eine Ausbildung aufnimmt und 720 Euro Ausbildungsvergütung bekommt, konnte bisher nur 220 Euro davon behalten, der Rest wurde angerechnet. Künftig können Azubis in diesem Beispiel dann 580 Euro behalten! Damit räumen wir mit einer großen Ungerechtigkeit auf.
Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen wurde zudem erreicht, dass für junge Menschen unter 25 Jahren, die einem Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstgesetz nachgehen, ebenfalls die neuen Zuverdienstgrenzen für Schüler:innen gelten und sie das ihnen ausgezahlte Taschengeld behalten dürfen. Auch haben wir die Lücke zwischen Schule und Ausbildung bzw. Studium geschlossen: in dieser Zeit bleibt die Zuverdienstgrenze für die Überbrückung bei 520 Euro für unter 25-Jährigen.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, insgesamt die Freibeträge bei den Zuverdiensten zu erhöhen und dass eine Kommission ein Reformmodell entwickeln soll. Das haben wir bereits auf den Weg gebracht, um uns noch einmal ganz intensiv mit den Zuverdienstmöglichkeiten auseinandersetzen zu können. Wir rechnen hier im nächsten Jahr mit konkreteren Ergebnissen.
Mit dem Bürgergeldgesetz sind in dem Bereich bereits folgende Änderungen angedacht: So sollen bei Erwachsenen im Leistungsbezug, die nebenbei arbeiten, die Freibeträge erhöht werden: Weiterhin soll grundsätzlich ein Freibetrag von 100 Euro im Monat gelten. Bis zu einem Verdienst von 520 Euro können zusätzlich 20 Prozent des Einkommens behalten werden. Bei einem Einkommen von 520 bis 1.000 Euro können 30 Prozent behalten werden, bis zu einem Einkommen von 1.200 Euro 10 Prozent.
Ab dem 01. Januar 2023 gilt für alleinstehende Bürgergeldbezieher:innen ein Regelsatz in Höhe von 502 Euro. Mit der Einführung des Bürgergelds wird auch ein neuer Mechanismus zur Regelsatzanpassung eingeführt, der künftig besser aktuelle Preisesteigerungen und die Inflationsentwicklung abbildet. Damit wird verhindert, dass der Regelsatz erst mit großer zeitlicher Verzögerung an Preissteigerungen angepasst wird und die Leistungsbezieher:innen in Existenznöte geraten. Diese Erhöhung ist dringend nötig und ist unser Erfolg im dritten Entlastungspaket. Mit unserer Forderung, die Berechnung der Regelsätze neu zu fassen, konnten wir uns leider im Rahmen des 3. Entlastungspaketes nicht durchsetzen.
Grundsätzlich kann auf Grundlage belegbarer Daten und Statistiken davon ausgegangen werden, dass Menschen arbeiten wollen. Arbeit ermöglicht nicht nur soziale Teilhabe, sondern sozialversicherungspflichte Beschäftigte können neben ihrem Einkommen Ansprüche auf Leistungen aus der Sozialversicherung, wie etwa Krankengeld, Arbeitslosengeld, Altersrente sowie Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente erhalten bzw. aufbauen. Entscheidend für die Gewinnung von Arbeitskräften sind aber auch die Rahmenbedingungen der Arbeit: Gute Löhne, Tarifverträge und betriebliche Mitbestimmung. Dafür setzen wir uns weiter vehement ein.
Es kursieren aktuell immer noch viele Berechnungen, die das Bürgergeld und geringe Einkommen vergleichen und so zeigen wollen, dass sich Arbeit nicht mehr lohnen würde und die Regelsätze im Bürgergeld zu hoch seien. Gemein ist allen diesen Rechenspielen: Sie wollen einseitig polarisieren, spalten und Menschen ohne Einkommen und solche mit niedrigem Erwerbseinkommen gegeneinander ausspielen. Unterstützungsleistungen und unterstützende Regelungen für Menschen mit niedrigem Einkommen werden dabei oftmals unterschlagen.
Viele der Berechnungen gehen etwa bei einer vierköpfigen Familie von einem alleinverdienenden Elternteil aus. Auch werden Leistungsansprüche wie das Wohngeld oder der Kinderzuschlag, die Personen und Familien mit geringen Einkommen beantragen können, nicht eingerechnet. Eine gute Übersicht zu den kursierenden Rechenbeispielen und wie diese zu entkräften sind, findet ihr hier: http://www.portal-sozialpoliti...
Bei diesen Berechnungen werden für Einpersonenhaushalte beispielsweise sehr hohe Mieten angesetzt oder andere Leistungen wie das Wohngeld, der Kinderzuschlag oder andere Ansprüche nicht eingerechnet.
Trotzdem ist es wichtig, in der Debatte deutlich zu machen, dass die Löhne dringend steigen müssen und dass wir die Menschen mit geringen Einkommen im Blick haben. Deshalb haben wir den gesetzlichen Mindestlohn erst kürzlich auf 12 Euro erhöht. Unser Ziel es ist auch, durch verschiedene Regelungen die Tarifbindung von Betrieben zu verbessern und damit die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften zu stärken. Auch die neuen Anpassungen im Bereich der Midijobs helfen, weil Arbeitnehmer:innen mit Einkommen bis zu 2.000 Euro bei den Sozialabgaben entlasten werden und Arbeitgeber:innen stärker in die Pflicht genommen werden.
In der Debatte wird häufig auch auf das sogenannte Lohnabstandsgebot verwiesen. Damit Arbeit sich lohnt, soll das Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit über den Sozialleitungen liegen. Unsere Antwort darauf muss sein, dass die Löhne in Deutschland steigen müssen. Es kann nicht sein, dass die ärmsten Menschen nicht den dringend notwendigen und ihnen auch zustehenden Ausgleich für die Preissteigerungen erhalten. Wir haben in Deutschland immer noch einen riesigen Niedriglohnsektor mit vielen Menschen, die von ihrem Einkommen kaum leben können. Hier müssen die Arbeitgeber:innen stärker in die Verantwortung genommen und auch Elemente wie die Tarifbindung weiter gestärkt werden.
Menschen mit geringen Einkommen, die kein Bürgergeld beziehen, sollen zukünftig durch ebenfalls am 10. November beschlossene Wohngeldreform weiter entlastet werden. Auch soll im Zuge der Reform der Kreis der berechtigten Haushalte erweitert werden, damit mehr Menschen davon profitieren. Eine Heizkostenkomponente wird dauerhaft Teil des Wohngeldes werden.
Im Jahr 2021 waren ca. 3,79 Millionen Personen im SGB II (umgangssprachlich „Hartz IV“) Bezug. Das ist eine historisch niedrige Zahl. Die Menschen im Leistungsbezug sind keineswegs „faul“ und es ist auch nicht so, dass sie sich keine Mühe geben, eine Arbeit zu finden – solche Aussagen sind stigmatisierend und sollten so nicht stehen bleiben. Auch der Begriff "arbeitslos" trifft nicht auf alle Personen im Leistungsbezug zu und ist daher irreführend.
Denn fast ein Viertel der Leistungsbezieher:innen sind sogar erwerbstätig, sprich: Sie müssen ihr Gehalt durch Sozialleistungen aufstocken, weil ihr Einkommen nicht zum Leben reicht oder weil sie nur eine geringfügige Beschäftigung (z.B. einen Minijob) haben.
Zu dieser Gruppe zählen überproportional alleinerziehende Eltern und insbesondere alleinerziehende Mütter, die aus verschiedenen Gründen, wie Teilzeitstellen, Tätigkeiten im Niedriglohnsektor und/oder einer unzureichenden Infrastruktur für Kinderbetreuung Unterstützung brauchen. Studien zeigen, dass derzeit mehr als jede:r sechste Alleinerziehende mit Sozialleistungen aufstocken muss2!
Sehr viele Menschen im Leistungsbezug haben „Vermittlungshemmnisse“, sie sind also nicht so einfach in Arbeit zu vermitteln, da sie gesundheitliche Einschränkungen haben und sich leider viele Arbeitgeber:innen schwer damit tun, sie anzustellen.
Deshalb war es uns ein besonderes Anliegen, dass Rehabedarfe auch in Beratungs- und Unterstützungsgesprächen mit dem Jobcenter Berücksichtigung finden, damit die Leistungsempfänger:innen bei Bedarf an die richtigen Stellen weitervermittelt werden können und Unterstützung erhalten.
Besonders deutlich wird diese Problematik auch bei einem Blick in die Statistik der Langzeitarbeitslosen. Das sind Menschen, die ein Jahr oder länger arbeitslos sind. Über 80 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind ältere Menschen zwischen 55 und bis über 65 Jahre3. Da diese Gruppe für körperlich anspruchsvolle Branchen/Berufe nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung steht, ist es für sie häufig schwerer, einen Job zu finden.
Die Bundesagentur für Arbeit erläutert zudem, dass über 60 Prozent der sogenannten „Landzeitarbeitslosen“ dem Arbeitsmarkt aktuell nicht zur Verfügung stehen, da sie Angehörige pflegen, zur Schule gehen, an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, Kinder betreuen oder auch aufgrund von verschiedenen Faktoren, wie psychischen oder physischen Erkrankungen oder sozialen Notlagen, derzeit nicht in den Arbeitsmarkt (re-)integriert werden können4.
Es handelt sich bei den Menschen im Leistungsbezug also um eine sehr heterogene Gruppe. Wie überall im Leben gibt es auch unter Menschen im Leistungsbezug vermutlich einzelne Ausnahmen, doch lässt sich klar festhalten, dass die
überwältigende Mehrheit dieser Gruppe auf unsere Unterstützung und Solidarität angewiesen ist – und diese auch unbedingt bekommen sollte.
Die Eingliederungsvereinbarung, die bisher zwischen dem Jobcenter und den Leistungsbezieher:innen abgeschlossen wird, ist durch juristische Sprache und rechtsichere Textbausteine oft schwer zu verstehen. Auch berücksichtigt sie selten individuelle Wünsche oder Situationen.
Mit dem Kooperationsplan soll das nun endlich geändert werden: Gemeinsam von Jobcentermitarbeitenden und Leistungsbezieher:innen wird dieser erarbeitet und wird individuell und verständlich festlegen, wie der Weg in Arbeit gestaltet werden soll. Dabei wird die Lebensrealität der Betroffenen berücksichtigt, Kompetenzen und Softskills werden vorab erfasst und die beruflichen Wünsche einbezogen. Es wird geklärt, welche Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll und passend sind. Auch die Förderung eines Berufsabschlusses oder einer Weiterbildung können hier vereinbart werden.
Durch die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs wird es zukünftig einfacher sein, Förderungen für berufsabschlussbezogene Weiterbildungen oder eine dreijährige Berufsausbildung zu erhalten. Denn Leistungsbezieher:innen müssen dann nicht mehr jeden noch so unpassenden Aushilfsjob annehmen, wenn es nachhaltiger ist, sich zu qualifizieren und einen Berufsabschluss zu erhalten. Damit wird auch auf die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt reagiert. Durch den Fachkräftemangel ist es umso wichtiger geworden, dass Menschen sich weiter qualifizieren und beispielsweise einen Berufsabschluss nachholen. So werden wir auch die nachhaltige Vermittlung in gute Arbeit mit fairen Löhnen stärken.
Der Kulturwandel, den wir mit dem Bürgergeldgesetz umsetzen wollen, wird in vielen Jobcentern bereits vorgelebt. Wir möchten die guten Angebote und Erfahrungen nun überall zum Standard machen. Dabei wollen wir die Mitarbeiter:innen in den Jobcentern bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützten und durch gute Betreuungsschlüssel entlasten. Gleichzeitig soll die Arbeit der Jobcenter digitaler und Bürokratie abgebaut werden.
Durch die Einführung der Karenzzeit für Wohnung und Vermögen wird für die Mitarbeiter:innen in den Jobcentern bürokratischer Aufwand abgebaut. Ebenso durch die Einführung einer Bagatellgrenze bis zu 50 Euro für Rückzahlungen. Das spart sehr viel Zeit und Geld bei den Jobcentern, die dann für Unterstützung und Beratung zur Verfügung stehen.
Der Fokus liegt zukünftig auf einer Kommunikation auf Augenhöhe, die je nach Bedarf schriftlich, digital oder telefonisch erfolgen kann. Durch die gesetzliche Verankerung können bereits bestehende Schlichtungsmechanismen innerhalb der Jobcenter gestärkt und ausgebaut werden. Von ihnen können sowohl die Leistungsbezieher:innen als auch die Jobcenter profitieren und einen lösungsorientierten Dialog fördern.