24. August 2022: Leseempfehlung: Die Lehren der Baseballschlägerjahre
Von 1982 bis 1995 habe ich in Lichtenhagen gelebt. Es gab sehr viele mich bewegende und mich politisierende Ereignisse und Erfahrungen in der Nachwendezeit. Die Pogrome in meinem Stadtteil gehören jedoch zu denen, die bis ins Jetzt am meisten nachwirken. Bis heute bleiben diejenigen, die damals die Bedrohung im Vorfeld des Samstags im August ernst genommen, geholfen, demonstriert, geschützt, eingegriffen, gefilmt und dokumentiert haben, meine Held*innen und Vorbilder. Die Doku „The Truth lies in Rostock - Die Wahrheit liegt (lügt) in Rostock“ von 1993 zeigt für mich am wahrhaftigsten auf, was im Vorhinein, während der Ausschreitungen und nach diesen Tagen passiert ist.
„Der blanke Hass im August 1992, so äußern sich Reem Alabali-Radovan, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie für Antirassismus bei der Bundesregierung und Carsten Schneider, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland in einem Gastbeitrag aktuell bei T-Online, „war der vorläufige Höhepunkt einer Welle rechter Gewalt in Ost- und Westdeutschland. Drei Monate danach wurden Bahide Arslan, ihre Enkelin Yeliz und ihre Nichte Ayşe bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag in Mölln ermordet. 1993 starben fünf Mitglieder der Familie Genç in Solingen.
Als diese Taten verübt wurden, tobte in Medien, Politik und Gesellschaft eine hitzige Debatte über Einwanderung, Flucht und Asylrecht. In Umfragen nannte eine Mehrheit das „Ausländerproblem“ als wichtigstes Thema.
[…] In diesem Klima entschlossen sich die Stadtverwaltung und die Landesregierung im Sommer 1992, die katastrophalen Zustände in und vor der überfüllten "Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber" in Rostock-Lichtenhagen wochenlang zu ignorieren. Mit dem zum Teil offen ausgesprochenen Argument, sonst noch mehr Asylbewerbende anzuziehen. Rückblickend kaum zu glauben, dass Bundesinnenminister Seiters während der Ausschreitungen nicht über die Opfer redete, sondern vom "Missbrauch des Asylrechts“.“
Ich danke Reem Alabali-Radovan und Carsten Schneider, die beide so wie ich auch die „Baseballschlägerjahre“ (Christian Bangel) und ihre Folgen hautnah miterlebt haben für ihre treffende Analyse, Bewertung und klare Haltung auf die Vergangenheit bezogen und die daraus abgeleiteten Lehren: „Sechs Punkte auf der Agenda des Bundeskanzleramts“.
Beide werden morgen gemeinsam mit dem Bundespräsidenten in Rostock sein. Ihren Beitrag finden Sie hier: https://www.t-online.de/nachri...